Attacca Quartet
Ravel: String Quartet
Album · Klassik · 2025
Maurice Ravel war akribisch, doch in seinem einzigen Streichquartett gelang es ihm, etwas natürlich Ausdrucksstarkes, Idiomatisches und Passendes für das Ensemble aus zwei Violinen, Bratsche und Cello zu schaffen. Mitbegründer:in des Attacca Quartet und Cellist:in Andrew Yee erklärt gegenüber Apple Music Classical: „Es gibt nur wenige Stücke wie dieses in unserem Repertoire, auf die ich mich mit jeder Aufführung mehr freue als beim letzten Mal. Es ist eines dieser Stücke, in die man immer tiefer eintauchen kann und die nie alt werden.“
Die Mitbegründerin des Quartetts, Amy Schroeder, fügt hinzu: „Dieses Stück ist so perfekt für unsere Gruppe, weil wir ein Quartett von vier Individuen sind, und nicht nur Leute, die versuchen, sich anzupassen. Und dieses Stück ist so geschrieben: Es hat die schönen Gruppenmomente und den Sound, aber es ist auch extrem demokratisch in Bezug auf die Soli und die Erzählstränge. Ich hoffe, dass Zuhörer:innen jeden von uns, unsere Persönlichkeiten ein wenig kennenlernen.“
Die Frische, mit der das Attacca Quartett an dieses beliebte Werk herangeht, ist von Anfang an zu hören – nicht mit dem üblichen abrupten „Mitten-im-Fluß“-Effekt, sondern langsam schneller werdend wie ein Zug, der den Bahnhof verlässt. In diesem Satz sind die beiden Violinen – Schroeder und der jüngste Neuzugang Dominic („Dom“) Salerni – in Ton und ausdrucksstarker Phrasierung perfekt aufeinander abgestimmt, während sie ein Thema hin- und herreichen.
Es ist eine Aufführung voller Charakter, Spontaneität und Präzision. Es ist nicht verwunderlich, dass diese Interpretation – obwohl sie rechtzeitig zum 150. Geburtstag des Komponisten aufgenommen wurde – schon seit Jahrzehnten in Planung war. „Wir arbeiteten seit 22 Jahren an unserer Interpretation“, sagt Yee und weist darauf hin, dass das Attacca seit seiner Gründung mehrere Besetzungswechsel durchlaufen hat: „In vielerlei Hinsicht geht unsere Interpretation von Ravel über uns vier hinaus. Sie existiert nur, weil jedes aktuelle und frühere Mitglied der Gruppe seinen Teil dazu beigetragen hat, unser Verständnis des Werks zu formen.“
Auch das in früheren Jahren aufgeführte Repertoire war von Bedeutung, wie Schroeder erklärt: „Ravel umfasst fast jeden Stil, den man sich für ein Streichquartett vorstellen kann. Ein Projekt hat unter anderen unsere Auffassung von musikalischen Gesten geprägt: als wir vor Jahren alle 68 Quartette von Franz Joseph Haydn aufführten. Wir haben gelernt, wie man Gesten spielt, und dies auf Ravel angewandt.“
Musik von heute spielte ebenfalls eine wichtige Rolle, insbesondere die Quartette der amerikanischen Komponistin Caroline Shaw (diese Aufnahmen brachten dem Attacca Quartet zwei Grammy Awards ein). „Bei Ravel gibt es einen ganz besonderen Akkordklang im Quartett – vierstimmige Harmonie in ihrer reinsten Form“, sagt Schroeder. „Dabei hat uns Caroline Shaws Musik sehr geholfen. Wir haben Non-Vibrato gespielt und versucht, so viele Obertöne wie möglich zu erzeugen. Das wollten wir bei Ravel hervorheben, weil die Harmonien so besonders sind.“
Neben der Ensemblearbeit im zweiten Satz mit brillanten Pizzikato-Episoden und dem rasanten Finale gibt es im dritten Satz auch viel sanfte, gefühlvolle Musik zu hören. Es ist bemerkenswert, wie sich die unterschiedlichen Vorstellungen der Quartett-Mitglieder von dem, was in diesem Satz geschieht, zu einer stimmigen und doch vielschichtigen Interpretation vereinen.
Wie unterschiedlich ihre Ansätze sind, geht aus den alternativen Perspektiven von Schroeder und dem Bratschisten des Quartetts, Nathan Schram, hervor. Schroeder sieht den Satz als „eine Kreuzung zwischen einer Fantasie und einer Meditation“, und erklärt weiter, dass er „eine Struktur hat, die von diesen meditativen ‚très calme‘-Momenten getragen wird. Daraus entwickeln sich diese schönen Traumfantasien, die Variationen haben und wieder in der gleichen Meditation enden.“
Schram sieht jedoch etwas viel Ergreifenderes: „Für mich ist dieser Satz ein langer Abschied, wie der Abschied von einem geliebten Menschen. Es herrscht auch Wut und Frustration darüber, dass man sich verabschieden muss, wenn man es nicht will, wenn man nicht bereit ist.“ Der Bratschist bezieht sich auf den Moment, in dem Yees klangvolles Cello die Stimmung in der Mitte des Stücks durchbricht. Doch Schram fügt hinzu: „Das ist das Schöne an der Musik und insbesondere an der Instrumentalmusik, dass sie für verschiedene Menschen unterschiedliche Dinge bedeuten kann und wir sie trotzdem wunderbar zusammen spielen können.“