Bon Iver
SABLE, fABLE
Album · Alternative · 2025
Justin Vernon hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, welche Last seine beinahe mythische Entstehungsgeschichte und sein schneller, ungewöhnlicher Aufstieg zum Weltstar für ihn bedeuteten. Vier Alben und 18 Jahre nach „For Emma, Forever Ago“ ist „SABLE, fABLE“ ein Dokument des inneren Friedens – vielleicht sogar des Glücks – und ein Zeugnis all der Arbeit, die nötig war, um dorthin zu gelangen. „Dieses Album war wie das erste – ein Grundstein für die Bewältigung und dafür, mich aus jener Zeit zu lösen, in der ich mich gefangen fühlte“, sagt er im Gespräch mit Zane Lowe von Apple Music. Als die Coronapandemie die Tourpläne für das 2019er-Album „i,i“ durchkreuzte, nutzte Vernon – wie so viele – die Zeit zur Reflexion. Dabei erkannte er unter anderem, dass das Tourleben womöglich alles andere als gesund für ihn war. Also begann er, Songs zu schreiben.
„Es war wirklich so: ‚Okay, mir geht es nicht gut, und ich werde es nicht schaffen, wenn ich nicht irgendetwas grundlegend verändere und diese ganze Tourmaschinerie stoppe‘“, sagt Vernon. „Es gab ein Gefühl der Erleichterung, aber auch der unglaublichen Trauer, sich von dem Team zu verabschieden, das wir aufgebaut hatten. Ich dachte mir: ‚Lass mich einfach diese Songs fertigstellen und irgendwie raushauen, damit ich sie mir von der Seele schreiben kann.‘ Genau das brauchte ich: sie zu vollenden – und zu verstehen, was in ihnen steckt.“ Der erste dieser Songs, „THINGS BEHIND THINGS BEHIND THINGS“, entstand zu Beginn des Lockdowns – eine Momentaufnahme jener einsamen, unsicheren Zeit. Doch für Vernon, der nun mit fünf Jahren Abstand zurückblickt, fühlt sich der Song größer und hoffnungsvoller an. „Kurzfristig gibt es dir ein besseres Gefühl – aber es ist auch ein Weg, dich deiner Trauer zu stellen, deinem Schmerz, deiner Schuld“, sagt er. „Wenn ich den Song heute höre, habe ich das Gefühl, frei zu sein von allem, was mich während des Schreibens, und auch später noch, belastet hat. Aber es dauert Jahre, bis sich Dinge formen, bis sich innerlich etwas bewegt.“
Von dort aus öffnet sich das Album langsam – mit Stücken wie dem spürbar hoffnungsvolleren „Everything Is Peaceful Love“: „Es geht einfach darum, diesen Moment zu feiern und irgendwie dieses Gefühl auszudrücken, als würde einem das Herz aus der Brust springen“, so Vernon. Oder auch „If Only I Could Wait“, bei dem Danielle Haim von HAIM singt – eine seiner amerikanischen Lieblings-Rockbands. Das Album bewegt sich irgendwo zwischen der Direktheit von „For Emma, Forever Ago“ und dem oft schwer greifbaren Maximalismus von „22, A Million“ und „i,i“. Während der langen Entstehungszeit dieses Werks stieg unterdessen Vernons Bekanntheit dank seiner Zusammenarbeit mit Taylor Swift – auch wenn Bon Iver selbst eher im Hintergrund blieb. Vernon übte sich in Geduld und Zurückhaltung und entwickelte dabei eine gesündere Perspektive, die nicht weniger als seine Karriere – vielleicht sogar sein Leben – gerettet hat.
„Wir sind wahnsinnig schöne Geschöpfe“, sagt er. „Und ich glaube, mit der Schlichtheit dieser Musik bin ich an einen Punkt gelangt, an dem ich sie euch einfach nur weitergeben will. Ich möchte, dass sie meine Version von Bob Segers ‚Against the Wind‘ ist – einfach nur boom, da ist sie. Wir verstecken nichts, wir hängen keinen Vorhang davor. Wir geben sie euch – so direkt, wie es nur geht.“