Tones And I
Beautifully Ordinary
Album · Pop · 2024
„Ich wusste, dass ich auf diesem Album verwundbar sein wollte“, sagt Toni Watson – besser bekannt als die australische Singer-Songwriterin Tones And I – gegenüber Apple Music. Das wird schon nach wenigen Sekunden des erschütternd rauen Openers „To Be Loved“ deutlich. Umgeben von anschwellenden Klavier- und Streicherklängen entschuldigt sich Watson zunächst bei ihrer Schwester und ihrem Bruder, bevor sie sich einer Sache ganz anderer Natur widmet: „And to the guy that hit me, I’m so sorry that I stayed/But I wanted to be loved, but to me that love was pain/I let you break me down so I could build me up again.“ („Und an den Kerl, der mich geschlagen hat, sorry, dass ich geblieben bin / Ich wollte geliebt werden, aber für mich war diese Liebe Schmerz / Ich habe mich von dir zerstören lassen, damit ich mich wieder aufbauen konnte.“)
Diese Ehrlichkeit ist bezeichnend für ein Werk, auf dem Watson emotional und musikalisch tiefer gehen wollte als je zuvor. „Mit dem letzten Album [‚Welcome to the Madhouse‘ von 2021] bin ich überhaupt nicht zufrieden. Ich wollte so vieles anders machen“, sagt sie. „Ich will dieses Album nicht so bereuen wie das letzte. Die Produktion war nachlässig. Es war einfach bequeme Arbeit. Ich war nicht ehrlich mir selbst gegenüber und nicht verletzlich, sondern habe nur poppige Melodien geschrieben. Als Komponistin wollte ich ein Album machen, das mehr Tiefe hat.“
Während „Welcome to the Madhouse“ innerhalb weniger Monate entstand, wurde „Beautifully Ordinary“ über einen Zeitraum von anderthalb Jahren während und zwischen Tourneen geschrieben. Um ihre Vielseitigkeit unter Beweis zu stellen, singt Watson auf dem gefühlvollen, ursprünglichen „Raise Me Up“ und dem zerbrechlichen „Lose Someone Like Me“ in einer tieferen Stimmlage. Gleichzeitig pendelt sie musikalisch zwischen emotionalen Balladen, haltungsbetontem Indie („You Don't Know Me Like That“) und knallhartem Pop („Call My Name“) – Letzteres schrieb sie gemeinsam mit Drake und BTS-Co-Writerin Jenna Andrews. Die sehr persönliche Familiengeschichte „Sorrento“ zeigt sie als eindrucksvolle Geschichtenerzählerin mit einem scharfen Blick für Details. Der Name des Albums stammt von einem Song, den Watson als ungeeignet für das Album erachtete, obwohl der Titel gut zu ihren Zielen passte – verletzlich und offen zu sein. „Ich glaube, man kann das Schöne im Gewöhnlichen [‚Beautifully Ordinary‘] sehen, und ich glaube, wir alle fühlen uns irgendwie gewöhnlich“, erklärt sie. Hier führt Watson uns Track für Track durch ihr zweites Studioalbum.
„To Be Loved“
Ich habe Dinge angesprochen, die ich vorher nie thematisiert habe. Ich glaube, so habe ich mich geöffnet, um weiter zu wachsen. Aber zugegebenermaßen habe ich in dem Song so viel gegeben, wie ich konnte. Ich hätte wahrscheinlich nicht viel mehr ins Detail gehen können, ohne mich unwohl zu fühlen. Ich denke, ich muss langsam anfangen, mich mehr zu öffnen, und das ist sozusagen mein erster Schritt in diese Richtung.
„Lose Someone Like Me“
Es geht um den größten Liebeskummer, den ein junges Mädchen haben kann – und zwar mit dem Lieblingsmenschen. Es ist immer noch schmerzhaft. Auch wenn es schon ein paar Jahre her ist, konnte ich noch nicht darüber schreiben. Deshalb hätte ich diesen Song fast nicht veröffentlicht. Und ich weiß, dass diese Person wissen wird, von wem er handelt. Das ist meine Art, die Hand auszustrecken. Es ist wichtig, dass ich es rauslasse, damit ich weitermachen kann.
„I Get High“
In „I Get High“ geht es um die besten Freund:innen, die man hat, wenn man noch nicht alt genug ist, um in Clubs zu gehen, aber nachts zu älteren Jungs ins Auto steigt, sich rausschleicht oder im Park trinkt und Blödsinn macht. Unsere Gefühle sind in diesem Alter so intensiv. Wenn wir älter werden, müssen wir unsere Emotionen mehr zügeln. Es gibt tolle Freundschaften, wenn man so jung ist, man teilt viel und macht viel zusammen durch. Das wollte ich unbedingt thematisieren.
„We’ll See Stars“
Ich wollte meiner Schwester einen Abend ohne Sorgen schenken. Ich will einfach nur, dass sie glücklich ist, und das fließt [später im Album] auch in „Wonderful“ ein. Hier geht es darum, dass wir zusammen ausgehen, alle Sorgen vergessen und einen Schwesternabend verbringen. Ich will, dass du das Leben in vollen Zügen genießt, dich gehen lässt und eine gute Zeit hast. Ich stelle mir meine Schwester vor, wie sie nachts durch die Stadt läuft und Spaß hat.
„Dance With Me“
Dieser Song sollte sich bassig anfühlen und nach den 80er-Jahren klingen, so wie Robyns „Call Your Girlfriend“ oder „Dancing On My Own“. Aber obwohl man sich zu ihm bewegt und tanzt, ist der Text traurig. Und das liebe ich. Der Titel bedeutet nicht, dass du körperlich tanzt. Was auch immer du und dein:e Partner:in in eurem glücklichsten Moment getan habt, ich sitze hier und warte darauf, dass du zu mir zurückkommst. Aber du bist nirgends zu sehen – also bin ich hier ganz allein.
„Figure It Out“
Das ist der erste Track, den ich für das Album geschrieben habe. Ich wollte Zeit zum Wachsen haben. Ich glaube, alle Menschen brauchen diese Zeit. Die Leute denken, dass dein erstes großes Projekt oder dein größter Erfolg dich definiert. Das ist ein entscheidender Faktor für alles. Aber ich finde, es ist wichtig, dass alle die Möglichkeit haben, zu wachsen, und in diesem Refrain bitte ich darum.
„Wonderful“
Es geht um meine Schwester, aber es könnte auch um meine besten Freund:innen gehen. Es gibt Zeiten, in denen sie am Tiefpunkt sind, und du willst ihnen nur deine Perspektive aufzeigen. So sehen sie, wie viel Potenzial in ihnen steckt, auch wenn ihr Kopf das nicht zulässt. Es geht darum, deinen Liebsten in ihren schlimmsten Zeiten beizustehen.
„Raise Me Up“
Ein weiterer Song über die Verzweiflung in einer Beziehung und den Wunsch, gesehen und gehört zu werden. Der Song handelt davon, dass man Hilfe braucht und sie erbittet.
„Dreaming“
„Dreaming“ könnte von einer Freundschaft oder Liebe handeln. Für mich ist es beides. [Darin heißt es:] „Ich weiß nicht, ob ich mir das nur einbilde, aber ich glaube, wir leben uns auseinander.“ In den Strophen geht es ins Detail, aber dann kehrt es wieder zu der Frage zurück: „Oder bilde ich mir das alles nur ein?“ Ich bin mir also nicht wirklich sicher.
„You Don’t Know Me Like That“
Hier geht es um eine Person, die mich stalkt, die zu mir nach Hause kommt und irgendwelche Sachen hinterlässt. Darunter war auch so ein Riesending, das sie für mich verfasst hat. Ich wollte nie darüber sprechen. Aber mein Kumpel, mit dem ich den Song geschrieben habe, hat ihn so sehr geliebt – genauso wie ich. Das Lied hat eine schöne Stimmung. Letztendlich geht es aber darum, eine:n Stalker:in loszuwerden.
„John Doe“
„John Doe” handelt von einer Person, die du triffst und zu der du sofort eine Verbindung hast, aber du willst nichts sagen oder tun. Es geht darum, dass du zu ihr hingehen willst, um mehr über sie zu erfahren und zu sehen, ob da etwas ist, aber du zögerst noch ein bisschen.
„Sorrento“
David ist mein Vater. Ein Jahr, bevor er starb, sagte ich: „Als Hochzeitsgeschenk hätte ich gerne, dass du mir deine Lebensgeschichte aufschreibst.“ Und das hat er für mich getan. Ich wollte eine kleine Erinnerung an ihn teilen, und jetzt wird sie für immer da sein.
„Need You To Love Me“
Der Song beginnt etwas verletzlicher. Er fängt damit an, dass ich genau dort bin, vor dir stehe und über eine Beziehung und die damit verbundenen Kämpfe singe. Und dann wird es ein wenig fröhlicher. Nur auf diesem Album habe ich jemals über Liebe geschrieben. Es geht um die Konflikte in Beziehungen. Dabei ist es fast so, als ob ich versuche, mich selbst davon zu überzeugen: „Verdiene ich etwas Besseres?“ Und das zu sagen, ist so verletzlich.
„Only One“
Ich habe diesen Song in einer sehr schwierigen Zeit geschrieben – ich hatte schlimmen Liebeskummer. Und ich konnte nichts niederschreiben. Ich war einfach so traurig. Ich wollte so wütend sein, aber im Refrain heißt es: „I still think that you’re the one for me“ („Ich glaube immer noch, dass du der richtige Mensch für mich bist.“) Das ist das Entscheidende daran. „I have so much love for you, this is so hard.“ („Ich empfinde so viel Liebe für dich, das ist so hart.“)
„Live Without Your Love“
Diesen Track habe ich vor langer Zeit geschrieben. Es geht um meine Freundin; sie ist so glücklich. Ich habe erkannt, dass die Freundschaft, die sie mir schenkt, unglaublich wichtig ist. Sie hilft mir, ein besserer Mensch zu werden; sie hilft mir, die guten Seiten zu sehen. Wäre sie eine Pessimistin, würde ich mich selbst nur noch mehr runterziehen. Und daher heißt es am Ende: „We’re never going to be the same person, but I love you for that. And I can’t live without your love.“ („Wir werden nie derselbe Mensch sein, aber dafür liebe ich dich. Und ich kann ohne deine Liebe nicht leben.“)
„Call My Name“
Ich habe mich auf dem Album sehr verletzlich gezeigt. Also wollte ich diesen Four-to-the-Floor-Moment haben, um es noch ein wenig deutlicher zu machen. Es gibt keine lange Geschichte über den Liedtext; es sind zwei professionelle Songwriterinnen [Watson und Jenna Andrews] in einem Raum, die einen Popsong schreiben. Ganz einfach.