Fontaines D.C.
Romance
Album · Alternative · 2024
Vielleicht mehr als bei jeder anderen irischen Band ihrer Generation sind die ersten drei Alben von Fontaines D.C. untrennbar mit ihrem Heimatland verbunden. Das 2019 erschienene Debüt „Dogrel“ war ein kühner, von Nieselregen durchzogener Liebesbrief an die Straßen Dublins. Der nach einer Zeile des irischen Autors Brendan Behan benannte Nachfolger „A Hero’s Death“ thematisierte die Entfremdungen der Gruppe auf Tour und die damit verbundene Abwendung von der Heimat. „Skinty Fia“ betrachtete schließlich 2022 Irland aus dem Blickwinkel derer, die nicht mehr vor Ort sind.
Mit ihrem vierten Album blicken Fontaines D.C. nun jedoch auf andere Bereiche. „Romance“ führt die fünf Musiker in eine futuristische Dystopie. Die Inspiration dafür fanden sie beim japanischen Manga-Klassiker „Akira“, Paolo Sorrentinos Film „La Grande Bellezza – Die große Schönheit“ von 2013 und den drei „Pusher“-Filmen des dänischen Regisseurs Nicolas Winding Refn. „Wir haben uns nicht vorgenommen, eine Albumtrilogie zu erschaffen, aber in etwa das ist passiert“, sagt Schlagzeuger Tom Coll gegenüber Apple Music über die ersten drei Alben. „Sie waren eine sehr enge Welt. Dieses Mal wollten wir da heraustreten und die Dinge verändern. Eine wichtige Inspiration für dieses Album war unsere erste Reise nach Tokio. Das ist so eine visuelle, neonbeleuchtete, supermoderne Stadt, das inspirierte uns sehr. Es brachte zum ersten Mal all diese neuen bildhaften Referenzen in den kreativen Prozess ein.“
Während die vorherigen drei Alben gemeinsam mit Dan Carey aufgenommen wurden, entschied sich die Band diesmal für den Arctic Monkeys-Producer James Ford. Die musikalische Palette wurde dabei erheblich erweitert. Vom scheppernden apokalyptischen Schrecken des einleitenden Titeltracks über die von Hip-Hop inspirierte erste Single „Starburster“ bis hin zu den verzerrten Grunge- und Shoegaze-Hybriden „Here’s the Thing“ und „Sundowner“: Fontaines D.C. schlagen ein völlig neues Kapitel auf. Dennoch finden sie immer wieder zur klassischen Indie-Rock-Hymne zurück, nachzuhören bei den wehmütigen Gitarrensalven in „Favourite“ oder dem an Nirvana erinnernden „Death Kink“. „Jedes Album, das wir machen, fühlt sich für uns wie ein großer Schritt in eine bestimmte Richtung an, aber ‚Romance‘ ist wahrscheinlich noch deutlich weiter entfernt von unseren vorherigen Werken“, sagt Coll. „Es ist aufregend, die Leute zu überraschen.“ Lies weiter, wie er die einzelnen Tracks von „Romance“ unter die Lupe nimmt.
„Romance“
Dieses Stück schrieben wir ganz spät in der Nacht im Studio. Es purzelte einfach so aus uns heraus. Es war einer dieser wahrhaftigen Momente, in denen wir dachten: „Genau, das ist der erste Track auf dem Album.“ Es ist eine Art Gaumenreiniger für alles, was vorher kam, so etwas wie die Eröffnungsszene. Ich habe das Gefühl, dass es auf jedem Album, das wir gemacht haben, einen Track gibt, der auffällt, ganz nach dem Motto: „Mit diesem Schachzug eröffnen wir …“
„Starburster“
Grian [Chatten, Sänger] schrieb den größten Teil dieses Stücks auf seinem Laptop, also gab es viele abgehackte Streicher und so – der Kreativprozess erinnerte recht stark an Hip-Hop. Wahrscheinlich ist das der Song auf dem Album, der am weitesten von dem alten „Wir“ entfernt ist. Das war die erste Single, wir versuchen immer, die Leute ein bisschen zu schocken. Es macht Spaß, das zu tun.
„Here’s the Thing“
Das wurde in der letzten Stunde im Studio geschrieben. Wir hatten vielleicht zwölf oder 13 Tracks fertig und fingen einfach an zu jammen, und innerhalb einer Stunde war der Song fertig. [Gitarrist Conor] Curley kam mit diesem sehr schroffen, schneidenden 90er-Jahre-Klang, und von da an entwickelte es sich einfach.
„Desire“
Dieses Stück lag schon ewig in der Schublade. Es gehört zu denen, für die viele Versuche nötig sind, um ans Ziel zu gelangen. Am Anfang war es ein Set-up als Band. Dann haben wir es echt elektronisch angelegt. Im Studio nahmen wir das alles wieder zurück. Es dauerte eine Weile, bis es richtig saß. Grian legte 20 oder 30 Gesangsschichten darüber, er hat es wirklich toll arrangiert. Carlos [O’Connell, Gitarrist] und Grian waren die Hauptverantwortlichen für die Streicherarrangements auf dem Album. Zum ersten Mal hatten wir tatsächlich ein Streichquartett vor Ort – vorher schickten die Leute uns [ihre Parts] einfach. In einem Raum zu sitzen und zu sehen, wie ein Streichquartett bei einem Song die Hauptrolle spielt, war einfach unglaublich.
„In the Modern World“
Grian schrieb diesen Song, als er in L.A. war. Er fand viel Inspiration bei Lana Del Rey und ähnlichen Sachen. Hollywood, der Glanz und der Prunk – aber eigentlich ist es ein schäbiger Ort. Es geht um diese ganze Vorstellung des verblassten Glamours.
„Bug“
Es fiel uns leicht, diesen Song zu schreiben. Eines dieser lebhaften „Wir alle im selben Raum”-Lieder. Ich kämpfte regelrecht dafür, dass dieser Song auf das Album kommt. Ich finde, dass es bei solchen Stücken zu viel des Guten ist, wenn man versucht, sie zu verändern oder ihnen einen Dreh zu geben, den sie nicht brauchen. Wenn es sich richtig anfühlt, ist es nicht nötig, daran herumzudoktern. Der Song ist, was er ist, und er ist großartig. Er wird live fantastisch sein.
„Motorcycle Boy“
Hier haben uns die Smashing Pumpkins ein Stück weit inspiriert. Wir nahmen den Song tatsächlich sechs Monate vor dem Rest auf. Das war die eigentliche Geburtsstunde des Albums. Wir fanden diesen Weg und dachten: „Okay, hier können wir etwas entdecken.“ Das brachte den Stein für dieses Projekt so richtig ins Rollen. Es zeigte uns die Marschrichtung auf.
„Sundowner“
Bei diesem Album sind wir wahrscheinlich von mehr einzelnen Startpunkten ausgegangen als je zuvor. Viele der Jungs brachten Melodien ein, die schon so gut wie fertig waren. Ich teilte mir in London ein Zimmer mit Curley, und er arbeitete ewig an diesem sehr Shoegaze-inspirierten Stück. Ich glaube, er hatte immer gedacht, dass Grian es singen würde, aber als er im Studio die provisorischen Vocals aufnahm, klang das großartig. Wir sagten alle: „Das singst du jetzt.“
„Horseness Is the Whatness“
Carlos schickte mir vor Urzeiten ein Demo dieses Stücks. Darauf waren nur er und seine akustische Gitarre, und es hatte einen total starken Text. Ich finde es fantastisch. Wir mussten es quasi dekonstruieren und wieder neu zusammensetzen, damit es zu diesem Album passte. Carlos hatte mir drei oder vier Drumloops gebastelt. Der Versuch, die nachzuspielen, war eine total lustige Erfahrung. Ich weiß noch nicht, wie wir es live spielen werden, aber wir werden es schon hinbekommen.
„Death Kink“
Auch dieses Stück stammt aus einem der Jams, mit denen wir uns für eine Studiosession vorbereiteten. Es ist wieder eines von denen, wo die ganze Band in einem Raum war und loslegte. Auf der Tournee in Amerika feilten wir sehr detailliert daran, wo genau in unserem Set welcher Track sitzen sollte. Es wird so viel Spaß machen, das Stück live zu spielen. Wir haben schon damit losgelegt, und das war absolut krass.
„Favourite“
Auch „Favourite“ schrieben wir während der Proben. Es klang ziemlich genau so wie die jetzige Version. Es für das Album noch einmal anzufassen, machte uns etwas nervös, weil diese erste Aufnahme so gut war. Das ist der Song, der am längsten bei uns herumflog. Wenn wir auf Tournee Songs schreiben, werden sie oft mit der Zeit langweilig, aber „Favourite“ blieb wirklich hängen. Wir haben uns oft über die Reihenfolge auf dem Album unterhalten. Ich fand den Weg von „Romance“ zu „Favourite“ sehr wichtig. Es fühlt sich an wie eine Reise von der Dunkelheit ins Licht. Und mit „Favourite“ endet diese an einem guten Ort.