Écouter I've Been Trying To Tell You par Saint Etienne
Saint Etienne
I've Been Trying To Tell You
Album · Pop · 2021
Das zehnte Studioalbum von Saint Etienne sollte nicht so klingen, wie es jetzt klingt. Anfang 2020 hatten Bob Stanley, Pete Wiggs und Sarah Cracknell eine ganze Reihe von Songs fast fertiggestellt. Doch als der Lockdown kam, gab es keine Möglichkeit, sie zu mischen – die Arbeit pausierte. Während sie warteten, griff das Trio eine Idee auf, die von zu Hause aus leichter umzusetzen war. Es war eine Idee, die zum ersten Mal im Rahmen der 2018 erschienenen Weihnachtsgeschenk-EP „Surrey North“ in Angriff genommen worden war. Ein paar Jahre zuvor hatte sich Stanley zu Vaporwave hingezogen gefühlt, einem Sound, den er auf YouTube entdeckt hatte. Wohnzimmer-Produzenten verfremdeten und entschärften den 80er-R&B und unterlegten ihn mit Bildern von verlassenen Gebäuden. Das verschwommene Gefühl der Nostalgie faszinierte Stanley. „Die Musik, die hier gesampelt wird, und die Bilder, die verwendet werden, sind amerikanisch oder japanisch“, erzählt er Apple Music. „Also dachten wir: ‚Was wäre, wenn wir britische Bilder und Samples verwenden, um die jüngere britische Geschichte darzustellen?‘“

Sie entschieden sich für die Jahre 1997 bis 2001, einen Zeitraum, der mit dem Start der Labour-Regierung begann und mit dem 11. September 2001 endete. Es schien das letzte Mal gewesen zu sein, dass Großbritannien von einem weitverbreiteten Optimismus getragen wurde, und es war eine Zeit, auf die die Menschen zunehmend mit Sehnsucht zurückblickten. „Viele der Probleme, die wir heute haben, wie etwa die sozialen Medien, gab es damals noch nicht“, sagt Stanley. „Das Internet gab es kaum. Die Klimakatastrophe – jeder wusste, dass sie möglicherweise eintreten würde, aber niemand ahnte, dass sie sich so schnell bemerkbar machen würde, wie sie es getan hat.“ Das Trio tauschte Dateien und Ideen per E-Mail und Videoanrufen aus und sammelte R&B- und Pop-Samples aus dieser Ära. Das Ergebnis sind acht hypnotische Stücke voll sommerlicher Wärme und Reflexion. Die Melodien setzen sich langsam, aber beharrlich durch, die Melancholie wirkt gelegentlich wie ein abendlicher Schatten, und ein zartes Gefühl der Träumerei lässt erkennen, wie Nostalgie Details verwischen kann. „Der springende Punkt ist, dass die Erinnerung ein sehr unzuverlässiger Erzähler ist“, sagt Stanley. „Jede Zeit hat ihre Schattenseiten, bei den 90ern ist jedoch leicht zu erkennen, dass die Leute sich auf das Positive konzentrieren. Als wir Teenager waren, blickten wir auf die 60er-Jahre zurück und dachten, was für eine tolle Zeit das war. Nur haben wir uns eher The Monkees angesehen als Menschen, die im Süden gelyncht wurden.“ Hier führt uns Stanley auf eine Reise durch eine halb-erinnerte Vergangenheit – Track für Track.

„Music Again“
Es ist im Grunde Petes Arbeit. Wir haben die Samples zwar gemeinsam gefunden, doch er hat sie erweitert und zu einem hypnotischen, sich wiederholenden Muster entwickelt – und Sarah hat ihren Text darüber geschrieben. Mir gefällt es, dass die Leute, wenn ich erwähne, dass ein Honeyz-Sample [„Love Of A Lifetime“] darin vorkommt, denken: „obskure R&B-Band“ oder so. Aber das waren sie offensichtlich nicht. Zu der Zeit waren sie überall auf Radio 2 zu hören; ich meine, sie hatten ein paar Top-10-Hits. Wir wollten unbedingt, dass es ein Element ist, an das man sich erinnert, wenn man es hört. Es sollte eine echte Erinnerung an diese Zeit wachrufen. Die Samples [auf dem Album] waren also alle von Mainstream-Acts, nur eben nicht die naheliegendsten Songs.

„Pond House“
[Der gesampelte Track, Natalie Imbruglias „Beauty On the Fire“] landete in den Top 30. Bei vielen der Samples haben wir uns Alben aus dieser Zeit angehört und versucht herauszuhören, ob wir einen Ausschnitt verwenden und erweitern können. Es ist fast so, als würden wir ein neues Instrument oder ein Gitarrenpedal ausprobieren, um zu sehen, ob wir etwas damit anstellen können. Wir waren auf der Suche nach guten Produktionen aus der damaligen Zeit – ziemlich smooth. Ich habe Playlists mit all jenen, die wir am Ende nicht verwendet haben. Da gibt es einen Song namens „Sky“ von Sonique, ein paar Titel von Jamelia – „Antidote“, „Life“. Vielleicht nehmen wir sie in Zukunft. Mel Bs Solosachen beispielsweise oder Martine McCutcheon und Lutricia McNeal.

„Fonteyn“
[Das Sample ist] ein Lighthouse Family-Song, aber es ist nicht der größte Hit, „Lifted“. Es ist eine relativ unbekannte Single [„Raincloud“]. Ich erinnere mich, sie damals auf Radio 2 gehört zu haben, und ich mochte schon immer die Tiefen des Klaviers als Bassline, also haben wir das genommen.

„Little K“
Das war ein Hin und Her bei der Nummer. Am Ende hat uns Pete ein paar Sachen geschickt, die im Grunde genommen schon fertig waren. Es war wie: „Okay, das ist großartig.“ Dann schrieb Sarah den Text und kam mit der Topline, er fügte sie ein und schnitt ein wenig daran rum, wie er es hier bei „Little K“ gemacht hat.

„Blue Kite“
Pete hat diesen Titel in seinem Studio zu Hause gemacht. Er hat Teile unserer eigenen Songs verwendet, ich glaube, aus den frühen 90ern. Diese Art von Abstraktion erinnert mich an my bloody valentine, auch wenn es keine offensichtlichen Gitarren gibt. Ich finde es traurig, dass sie nicht 18 Monate nach „loveless“ ein weiteres Album gemacht haben. Denn ich erinnere mich, dass Colm, der Schlagzeuger, sich dem Jungle sehr zuwandte. Ich glaube auch, dass sie etwas in der Richtung wahrscheinlich aufgenommen haben. Ich dachte: „Wow, wo soll das nur hinführen?“ Und dann haben sie 20 Jahre lang gar keine Platte mehr gemacht. In den frühen 90ern gab es so viele Richtungen, in die du gehen konntest, und es wurde so viel Musik gemacht, von der du dich inspirieren lassen konntest, von zeitgenössischen Sachen. Ich glaube, das hat uns eine Palette eröffnet, die wir nutzen konnten, genauso wie Sachen aus der Vergangenheit, die wir schon mochten – Psychedelia, Northern Soul und so weiter.

„I Remember It Well”
Ich habe mit einem Typen namens Gus Bousfield gearbeitet, der viel für das Fernsehen und den Film arbeitet. Er ist Engineer, Produzent und Multiinstrumentalist. Das ist genau die Art von Person, mit der ich arbeiten muss, weil ich kaum „Chopsticks“ spielen kann. Es ist großartig, jemanden zu haben, der alles machen kann, was man will. Gus hat [die gesampelten Dialoge hier] in einer Markthalle in Bradford aufgenommen. Sie sind stark verzerrt und es klingt wie menschliche Sprache, aber man kann wirklich kein einziges Wort heraushören. Er spielt dazu Gitarre, was ein wenig an „Twin Peaks“ erinnert.

„Penlop“
Hierfür haben wir, glaube ich, die meiste Zeit verwendet. Pete hat eine Version gemacht, die etwa acht Minuten lang war. Zum Ende hin wurde es noch verzerrter. Ich liebe es einfach, wenn es einen Part gibt, in dem es runtergeht, dann krachend hereinbricht und danach wieder eine Ebene höher steigt.

„Broad River“
Der Klavierpart ist das Intro zu einem Song von Tasmin Archer [„Ripped Inside“]. Das ist alles, was wir davon übernommen haben. Ich glaube nicht mehr als ein oder zwei Takte Klavier oder so. Es ist schon lustig, denn viele Leute haben gesagt: „Oh, das ist das erste Mal, dass ihr seit [dem 1993er-Album] „So Tough“ Samples verwendet. Das stimmt aber nicht. Ich nehme an, wir haben sie nur nicht so offensichtlich verwendet. Es gibt viele Songs, die wir im Laufe der Jahre aufgenommen haben, auf denen Samples zu hören sind. Man kann aber einen Teil eines bestehenden Songs nehmen und daraus etwas völlig Neues machen, mit einer völlig neuen Atmosphäre. Ich denke, dass das bei diesem Song auch der Fall ist, denn ich liebe es, wie es auf „Broad River“ klingt. Der Song von Tasmin Archer ist dagegen offensichtlich ein ganzes Stück düsterer.

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