J Balvin
Rayo
Album · Latin · 2024
„Wenn ich dir sage, dass ich drei Alben fertig habe, dann sind sie auch fertig“, sagt J Balvin zu Apple Music. „Vielleicht drehe ich ja durch und bringe jeden Donnerstag einen neuen Song heraus.“ Die Behauptung des kolumbianischen Superstars, er habe einen Vorrat von etwa 200 Songs, klingt plausibel – vor allem, wenn man bedenkt, wie wenig Musik er in den letzten Jahren mit der Welt geteilt hat. Nachdem er mit seinen explosiven Alben „Energía" und „Vibras“ Mitte der 2010er-Jahre sowie dem raffinierten „Colores“ im Jahr 2020 den Weg für die nächste Generation von Reggaeton-Artists geebnet hatte, nahm seine Aktivität nach dem persönlichen und zugleich poppigen „JOSE“ im Jahr 2021 merklich ab.
Natürlich war er keineswegs von der Bildfläche verschwunden: Er veröffentlichte Singles und Features mit allen möglichen Künstler:innen, von Maluma über Ryan Castro bis hin zu Imagine Dragons und USHER. Doch nach beinahe einem Jahrzehnt mit einem zermürbenden Terminkalender deuteten seine relativ wenigen Veröffentlichungen und sein konsequenter Rückzug aus den sozialen Medien auf einen stärkeren Fokus auf Familie und Vaterschaft hin. Dazu kam sein öffentlich bekundetes Engagement für seine geistige Gesundheit. „Du wirst niemals erleben, dass ich andere auf Instagram niedermache“, sagt er und führt seinen kleinen Sohn als Grund dafür an, negative Klatschgeschichten und Tiraden zu vermeiden, die in diesem Genre üblich sind. „Ich respektiere dich oder ich respektiere dich nicht, aber das ist etwas Persönliches.“
Drei Jahre nach seinem letzten Album präsentiert „Rayo“ Balvin so, wie er sich selbst derzeit sieht. Offensichtlich nicht daran interessiert, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen, widmet er sich wieder der Musik mit einem großen Interesse an der Gegenwart und einer tiefen Ehrfurcht vor dem, was vorher war. Zu diesem Zweck arbeitet er erneut mit einigen Producer:innen zusammen, die ihn durch seine gesamte Diskografie begleitet haben. Dazu gehören Hitgaranten wie Sky Rompiendo („Ohne Sky wäre ich nicht J Balvin“, witzelt er) bis hin zu aufstrebenden Talenten wie seinem kolumbianischen Kollegen L.E.X.V.Z. Während er sich mit kommenden Künstler:innen wie SAIKO und Luar La L zusammentut, arbeitet er auch mit ehemaligen Kolleg:innen zusammen, die ihre eigenen Karrieren exponentiell vorangetrieben haben, darunter nicht zuletzt Feid. „Ich habe so viel Respekt vor ihm“, sagt er über den aus Medellín stammenden Star, der Balvins frühe Hits „Sigo Extrañándote" und „Ginza“ mitgeschrieben hat, bevor er selbst zum Star wurde.
Reggaeton spielt eine prominente Rolle auf „Rayo“, wobei es nicht der einzige klangliche Ausdruck des Albums ist. Temperamentvolle Tracks wie „3 Noches“ und das überraschende „Stoker“ mit Carín León spiegeln Balvins Rolle als Pionier wider, wenn es darum geht, Afrobeats mit spanischsprachiger Musik zu verschmelzen – etwas, das heute immer mehr Reggaeton-Artists und Latin Pop-Acts praktizieren. „Für mich ist das der neue Reggae“, sagt er. „Es klingt einfach überall und zu jeder Zeit gut.“ Nachdem er bereits mit Genregrößen wie Burna Boy und Wizkid zusammengearbeitet hat, bewegt er so mühelos wie leidenschaftlich durch dieses Genre, ohne zu befürchten, Fans zu verlieren. „Ich bin in einer wirklich schönen Position, in der ich der Welt nichts mehr beweisen muss“, sagt er. Lies weiter, um mehr über einige von J Balvins Lieblingssongs von „Rayo“ zu erfahren – in seinen eigenen Worten.
„Cosa De Locos“
Wenn es um Reggaeton geht, machen sie normalerweise eher das harte Intro, mehr Street, wie „Ich bin der Mann mit den größten Eiern“ – was cool ist. Ich respektiere das und es ist Teil unserer Kultur, aber es ist nicht das, was ich machen wollte. Meine Energie auf diesem Album war einfach so voller Glück und Freude. Wenn der Beat beginnt, schafft er eine Atmosphäre. Das ist meine aktuelle Energie, die ich mit euch teilen möchte, und so wollte ich auch anfangen. Ich nenne es happy Reggaeton. Ich liebe es, dass das der erste Song auf dem Album ist.
„Polvo de tu Vida“ (feat. Chencho Corleone)
Chencho und ich, wir machen großartige Sachen, und wir hatten noch nicht die Gelegenheit, alleine zusammenzuarbeiten. Ich habe diese Lieder nie mit dem Gedanken an eine bestimmte Person geschrieben. Als ich mit dem Album fertig war, dachte ich: Mal sehen, ob es einen Song gibt, der nach einem Feature schreit. Das ist das Schöne daran, wenn man Musik macht: einfach nicht über die Features nachzudenken, darüber, was passieren wird. Es ist besser, sich nur auf den Song zu konzentrieren, und dann ist es nicht von vornherein geplant. Wir sind zusammen nach Dubai geflogen, um das Video zu drehen. Es war natürlich ein langer Flug, also gingen wir in die Bar. Er hat mir eine Menge über die Geschichte des Reggaeton beigebracht. Es ist unbezahlbar, sich mit einer Legende wie ihm auszutauschen.
„Swat“ (feat. Luar La L)
Luar La Ls Song ist einer meiner Favoriten. Ich liebe die Art, wie er rappt, ich liebe die Art, wie er auf dem Beat fließt. Es sind diese Features, die man nicht kommen sieht. Er beherrscht definitiv die Straße. Der Vibe war unglaublich.
„Doblexxó“ (feat. Feid)
Der Track macht mich nostalgisch, denn er erinnert mich an unsere gemeinsame Zeit. Ich bin ihm wirklich dankbar, und ich wusste, dass er es schaffen würde. Man kann sich ein bisschen verzetteln, wenn man anfängt, Songs für alle zu schreiben, und dann verliert man vielleicht seine Identität oder DNA. Ich glaube, er hat sich selbst entdeckt. Es ist auch schön, wie geduldig er war, denn man muss verstehen, dass wir – Maluma und KAROL G – schon lange vor ihm groß herausgekommen sind. Wir gingen zusammen ins Studio in L.A., nur er und ich. Wir wollten es einfach so intim wie möglich halten. Dieser Song ist definitiv ein Medellín-Song. Das ist Medellín-Reggaeton, und das macht mich so stolz.
„3 Noches“
Afrobeats ist eine meiner größten Leidenschaften. Seit ich mit Mr. Eazi zusammenarbeite, investieren wir beide in die neuen Künstler:innen aus Afrika; wir sind Partner in einem Unternehmen, in dem wir herausfinden, wer der nächste Star sein wird. „3 Noches“ ist für viele der Favorit auf dem Album, das kann ich dir sagen. Ich habe es mit Michaël Brun aus Haiti gemacht. Es fällt mir so leicht, die Melodien zu schreiben, weil ich diese Jungs die ganze Zeit höre. Ich versuche einfach, so respektvoll wie möglich mit ihrem Genre umzugehen.
„Gaga“ (feat. SAIKO)
Dieser Junge kam rein, als würde er uns schon ewig kennen. Er sagte uns, was wir tun sollten, und das fanden wir toll, weil wir wussten, dass er sich auskennt und ein großartiger Künstler ist. Wir waren so beeindruckt. Er weiß definitiv, was er will, und sein Geschmack ist erstklassig, Mann. Ich sehe, dass der Junge bescheiden ist und den Prozess genießt. Das erinnert mich daran, dass es Momente gab, in denen ich meinen Erfolg am Anfang nicht voll ausgekostet habe. Vielleicht war ich so sehr ins Geschäft vertieft, dass ich nicht die Zeit hatte, so viele Dinge zu verdauen und es in vollen Zügen zu genießen.
„La Noche“ (feat. Dei V)
Dei V ist der Grund, warum ich mit dem Album angefangen habe, und er weiß es nicht einmal! Ich bin einfach ins Studio gegangen, um Spaß zu haben; ich habe nie daran gedacht, ein Album zu machen. Ich war mit Jeremy Ayala, einem Producer, den ich liebe und der ein enger Freund ist, und O’Neill, einem großartigen Künstler und Songwriter/Producer, in Miami. Wir gingen ins Studio und luden Dei V ein. Ich erinnere mich, dass ich so viel Spaß hatte wie damals, als ich anfing, Musik zu machen. Der Song war schnell fertig, aber das lag daran, dass wir so verbunden waren. Es ist purer Reggaeton, Mann.
„Stoker“ (feat. Carín León)
Dieser Carín hat mich mit seiner Vision von Musik beeindruckt. Der Track erinnert mich an „Vibras“ – so offen dafür, verschiedene Sounds auszuprobieren. Er hört sich jede Art von Genre an, was bei diesen Künstler:innen normalerweise nicht der Fall ist. Wobei ich verstehen kann, dass sie sich so sehr mit regionaler Musik und Corridos befassen. Als ich anfing, mit ihm zu reden, kannte er Vallenato aus Kolumbien, er kannte Salsa, er kannte eine Menge von Ed Sheeran. Dieser Typ ist so aufgeschlossen, ich dachte, ich kann etwas machen, das ihn aus seiner Komfortzone holen könnte. Er schickte uns den Song, aber es war halt total sein Sound. Ich überlegte: Moment mal, wir können hier einen Twist einbauen. Niemand hat [ihn] bisher in einem Afrobeats-Drum-Pattern gehört. Aus Respekt rief ich ihn an, bevor wir das Arrangement änderten. Er meinte nur: „Ja, genau das habe ich gesucht!“